Konzept
Was steckt dahinter?

In einer eigenen Wohnung selbstbestimmt zu leben - allein oder mit einem Partner, einer eigenen Familie oder anderen Mitbewohnern, die man sich selbst ausgesucht hat - ist Normalität in unserer Gesellschaft. Das dieses Grundrecht für Menschen ohne Behinderung ebenso gilt wie für Menschen mit Behinderung sollte eigentlich nicht extra erwähnt werden müssen.

Die Ratifizierung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (die so genannte UN-Behindertenrechtskonvention - BRK) rückt die enorme Bedeutung dieses Grundrechts nach Art.13 GG zusätzlich in den Vordergrund. Art.19 der BRK sieht vor, dass alle Menschen frei darüber entscheiden können, wo und mit wem sie wohnen und gemeindenahen und barrierefreien Zugang zu den für sie notwendigen Diensten haben, „die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig [sind].“ (BRK Art. 19 Abs. b)

Das Recht auf Selbstbestimmung, Inklusion und Teilhabe in der Gesellschaft bedingt sich in unserem Kulturkreis mit dem Respekt und der Achtung der Privatsphäre, sowie des gleichberechtigten Zusammenlebens mit anderen Menschen. Der individuelle Lebensentwurf eines jeden Menschen steht daher im Vordergrund und diesbezüglich auch die Wahl oder die Entscheidung über den eigenen Wohnort und die eigene Wohnform.

Das UnterstützerNetz ist eine Kooperative aus Fachleuten die ambulante Unterstützung in diesem Bereich und in diesem Sinne anbieten. Das UnterstützerNetz legt nicht nur Wert auf persönliche, fachlich qualifizierte und differenzierte Unterstützung, sondern auch auf größtmögliche Flexibilität und unbürokratische Hilfe im Alltag, sowie in Krisensituationen, etc.

Dieses Angebot richtet sich an Münchner Bürger, oder solche die vorhaben dies zu werden, mit geringen bis sehr hohem Unterstützungsbedarf im Sinne des §53 SGB XII, die eine solche Wohnform und ein selbstbestimmt gestaltetes Leben ausdrücklich wünschen. Der Unterstützungsbedarf kann vorübergehend, für längere Zeit oder auf Dauer anhalten und in seinem Umfang von nur gelegentlicher bis hin zu umfassender Unterstützung reichen.

Die Inanspruchnahme dieses Angebotes erfolgt ausschließlich auf der Basis der Freiwilligkeit. Damit wird dem so genannten Paradigmenwechsel, der auch im SGB XII seinen Niederschlag gefunden hat, ambulant vor stationär, entsprochen.

Personenkreis, Ziele, Rechtsgrundlagen, Leistungen, Qualitätsmerkmale, Assistenten und die Grundlagen für die Zusammenarbeit sind in dieser Konzeption festgelegt. Das Verfahren der individuellen, kontinuierlichen Unterstützungsplanung basiert auf den Zielen und Leistungsbeschreibungen dieser Konzeption.

Das UnterstützerNetz sieht sich als Dienstleister im sozialen Bereich, dessen Angebot, sich nach den individuellen Bedürfnissen seiner Kunden, besser gesagt seiner Nutzer, richtet.

Im UnterstützerNetz sind ausschließlich Fachkräften (HeilerziehungspflegerInnen, ErzieherInnen, SozialpädagogInnen) mit mindestens einjähriger Berufserfahrung in der Arbeit mit Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung tätig. Die Zusammenarbeit ist vertraglich geregelt und rechtlich abgesichert. Der Einsatz von Hilfskräften erfolgt optional.

Innerhalb des UnterstützerNetzes werden Entwicklungsstand und Entwicklungsbedarf stets kritisch beleuchtet. An der (konzeptionellen) Weiterentwicklung des UnterstützerNetzes wird kontinuierlich gearbeitet. Organisatorische Absprachen, Fallbesprechungen und interne Fortbildungen finden in regelmäßigen Teamsitzungen statt.

Die Ausrichtung der Leistungserbringung an die persönlichen Kompetenzen und Fähigkeiten der Nutzer macht es erforderlich, größtmögliche personelle Kontinuität zu gewährleisten. Das bedeutet, dass jedem Nutzer (mindestens) ein Bezugsassistent zur Verfügung steht. Die Urlaubs- und Krankheitsvertretung ist stets sichergestellt.

Die konkreten Vereinbarungen zwischen dem Nutzer und dem Assistenten werden in einem „Assistenzvertrag für Ambulante Unterstützung“ festgehalten. Die Zufriedenheit der Nutzer ist ein wesentliches Kriterium für die Qualität der Arbeit.

Ambulante Unterstützung für Menschen mit Behinderung ist eine Leistung der Eingliederungshilfe gem. §§ 53, 54 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten). Gemäß §9 SGB XII haben ambulante Hilfen Vorrang vor stationären und richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles. Dem Wunsch- und Wahlrecht der Nutzer soll entsprochen werden, es sei denn, deren Erfüllung wäre mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden.

Zielgruppe sind volljährige Menschen mit einer wesentlichen geistigen und/oder körperlichen Behinderung oder von einer solchen Behinderung bedrohte Menschen im Sinne des § 53 SGB XII, die vorübergehend oder auf Dauer zur selbständigen Lebensführung der ambulanten Unterstützung bedürfen.

Seit dem 01.01.2008 besteht für alle Menschen mit Behinderung, ein Rechtsanspruch auf Leistungen in Form eines Persönlichen Budgets. Dies ist eine vom Kostenträger (in den meisten Fällen sind das die jeweils zuständigen Bezirke) gezahlte monatliche Geldleistung an den Budgetnehmer. Dieser kann sich davon alle erforderlichen Leistungen zur Teilhabe z.B. Unterstützung im Bereich Wohnen, selbständig einkaufen.

Damit werden Menschen mit Behinderung zu Budgetnehmerinnen und Budgetnehmern, die den „Einkauf“ der Leistungen eigenverantwortlich, selbständig und selbstbestimmt regeln können; sie werden Käufer, Kunden oder Auftraggeber. Als Experten in eigener Sache entscheiden sie so selbst, welche Hilfen für sie am besten sind, welcher Dienst und welche Person zu dem von ihnen gewünschten Zeitpunkt die Leistung erbringen soll. Diese Wahlfreiheit fördert die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung und sie erhalten mehr Einfluss auf die Art der Leistungserbringung.

Ein wesentlicher Bestandteil des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ist die freie Gestaltungsmöglichkeit der individuellen Wohn- und Lebensformen. Übergeordnetes Ziel der Ambulanten Unterstützung ist es daher, Menschen mit Behinderung in ihrer Lebensgestaltung dahingehend zu unterstützen, dass sie entsprechend ihrer individuellen Wünsche und Fähigkeiten so selbstständig wie möglich in einer eigenen Wohnung (zur Miete oder als Eigentum) leben können.

Um eine Normalisierung der Lebensverhältnisse sowie die Möglichkeiten zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch Ambulante Unterstützung zu erreichen, ist neben der inhaltlichen Ausgestaltung des Angebots auch die Frage der Infrastruktur und des Standorts der Wohnung von zentraler Bedeutung.

Die Ambulante Unterstützung ist auf eine zeitliche und personelle Kontinuität ausgerichtet. Die damit verbundene notwendige hohe Eigenverantwortung der Nutzer bietet die Chance zur Entwicklung und Entfaltung der gesamten Persönlichkeit.

Da der Bedarf der Nutzer und die Leistungen des UnterstützerNetzes weder an der Wohnungstür beginnen noch dort enden, wird in dieser Konzeption von ambulanter Unterstützung gesprochen (Im Gegensatz zu dem von den Kostenträgern verwendeten „ambulant unterstützten/betreuten Wohnen“).

Individualisierung der Unterstützung

Die Unterstützung der Nutzer orientiert sich an deren individuellen Wünschen und Bedürfnissen, der kulturellen Herkunft, sowie deren Fähig- und Fertigkeiten.

  • Beratung und Information: gemeinsame, möglichst wertfreie Analyse von Inhalten mit dem Ziel, dem Nutzer durch umfassende Informationen eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen.
  • Begleitung und praktische Handlungsplanung: Hilfe „in Augenhöhe“, Organisation und Motivation d.h. offen, herrschaftsfrei, ohne Dominanz. Der Nutzer bestimmt Entwicklungsrichtung, Dynamik, Schnelligkeit und Rhythmus der Hilfen selbst. Seine individuellen Wünsche und Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt.
  • Assistenz: Hilfe, die eine unabhängige Willensbildung und Entscheidungsfindung voraussetzen. Der Nutzer hat Kundenstatus und erhält die mit dem Assistenten vereinbarte Unterstützungsleistungen.
  • Krisenvorbeugung und Krisenbewältigung, Hilfe zur Vermeidung krisenhafter Situationen bzw. zur Bewältigung solcher Krisen, wenn diese bereits eingetreten sind.
  • Anleitung und Einübung von Fertigkeiten - auf Wunsch des Nutzers und falls es möglich ist.
  • Gruppenangebote
  • ggf. stellvertretende Übernahme der Durchführung von einzelnen Tätigkeiten
  • ggf. Vermittlung an andere Dienste und Einrichtungen, sowie andere Assistenten

Personen, die an ambulanter Unterstützung interessiert sind, müssen die Kriterien für den Anspruch auf Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII in Verbindung mit § 2 SGB IX erfüllen.

Personen in folgenden (beispielhaften) Lebenssituationen können durch das UnterstützerNetz begleitet werden:

  • die aus einer stationären Einrichtung in eine eigene Wohnung ziehen wollen,
  • die das Erwachsenenalter erreicht und den Wunsch haben, das Elternhaus zu verlassen,
  • die nach dem Tod oder dem Auszug ihrer bisherigen Bezugsperson (Eltern, Angehörige, Lebenspartner o.ä.) alleine in einer Wohnung verbleiben und einerseits nicht in der Lage sind, selbstständig in der Wohnung zu leben, andererseits jedoch keinen Wohnstättenplatz benötigen oder wünschen,
  • die schon längere Zeit alleine leben und feststellen, dass sie ihre Lebenssituation nicht mehr ohne Unterstützung bewältigen können.

Voraussetzung für eine Zusammenarbeit

Der Wunsch und die Bereitschaft mit den Assistenten des UnterstützerNetzes zusammenzuarbeiten und diese Unterstützung anzunehmen ist die einzige Grundbedingung.

Voraussetzung für eine Zusammenarbeit mit dem UnterstützerNetz ist:

  • die Fähigkeit, selbstständig die bereitstehenden Hilfen abrufen zu können.
  • der Wunsch Eigenverantwortung zu übernehmen.
  • Wohnort in Stadt oder Landkreis München.
  • das Vorliegen einer rechtsverbindlichen Zusage der Kostenübernahme durch den zuständigen Kostenträgers bzw. die Bereitschaft die Kosten selbst zu übernehmen

Ausschlusskriterien

Der festgestellte individuelle Unterstützungsbedarf muss mit den zur Verfügung stehenden Mitteln sachgerecht abgedeckt werden können. Ist dies nicht möglich, kann eine Zusammenarbeit mit dem UnterstützerNetz nicht erfolgen.

Ausschlusskriterien liegen vor, wenn die Gefahr durch Selbst – oder Fremdgefährdung, die mit den organisatorischen Rahmenbedingungen der Ambulanten Unterstützung nicht oder nicht mehr beeinflussbar und verantwortbar ist.

Bei der Ambulanten Unterstützung handelt es sich um ein flexibles Dienstleistungsangebot, das von intensiver bis zu ganz geringer Unterstützung (Assistenz auf Anfrage) reicht. Dabei hat der Nutzer ein größtmögliches Maß an Mitbestimmung (Regiekompetenz) und Einflussnahme bezüglich der Form, der Inhalte und der Organisation der Unterstützung.

Das UnterstützerNetz bietet eine Vielzahl von Angeboten, die an die individuellen Bedürfnisse des Nutzers sowie seine individuelle Lebenssituation angepasst werden. Dies umfasst insbesondere folgende Bereiche:

Vorbereitung Ambulante Unterstützung

Der Vorbereitung auf die Ambulante Unterstützung dienen:

  • Informationsgespräch
  • Hilfestellung bei der Antragstellung beim zuständigen Leistungsträger, sofern hierfür nicht ein gesetzlicher Vertreter zuständig ist
  • Gemeinsame Einschätzung des Unterstützungsbedarfs des Nutzers gegebenenfalls in Absprache mit Angehörigen, Betreuern oder gesetzlichen Betreuer
  • Abschließen eines Assistenzvertrages zwischen Nutzer und Assistenz

Leistungen im Alltag

Die Leistungen erfolgen durch den Assistenten und je nach Selbstständigkeit und Bedarf des Nutzers in folgenden Bereichen:

  • Alltägliche Lebensführung: Einkaufen, Zubereiten von Mahlzeiten, Ordnung im eigenen Bereich, Geld verwalten, Regeln von finanziellen und (sozial-)rechtlichen Angelegenheiten, etc.
  • Individuelle Basisversorgung: Ernährung, Körperpflege, etc.
  • Gestaltung sozialer Beziehungen: zu Angehörigen, Freund- und Partnerschaften, etc.
  • Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben: Teilnahme an Veranstaltungen, Begegnung in Gruppen, etc.
  • Kommunikation: Kompensation von Sinnesbeeinträchtigungen, zeitliche und räumliche Orientierung, etc.
  • Emotionale und psychische Entwicklung: Bewältigung von Angst, Unruhe, Spannungen, paranoider und affektiver Symptomatik, persönlicher Probleme, etc.
  • Gesundheitserhaltung und -Förderung: Absprache und Durchführung von Arztterminen, gesundheitsfördernder Lebensstil, etc.